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Die Konstruktionen des deutschen Uhrmachers Ludwig Schuch, die teilweise auf Ideen Leonardo da Vincis basieren, erwecken geschickt den Eindruck, man habe es mit einem Perpetuum mobile zu tun. Doch bleibt ein solches eine physikalische Unmöglichkeit.

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Nullpunktenergie. Skalarwellen. Orgon. Tesla-Strahlung. Das Ding hat viele Namen, und alle klingen vage nach Wissenschaft. Und alle sollen sie unser Energieproblem lösen können - wenn da nicht die bösen Wissenschaftler wären und das noch bösere Establishment. Die nämlich verhindern angeblich den Durchbruch der "freien Energie".

Esoterik in wissenschaftlichem Gewand

Dabei könnte alles so schön sein: "Freie Energie für alle Menschen" verkündet da zum Beispiel Claus W. Turtur. "Kostenlos" sei die von ihm entdeckte Energie und "umweltfreundlich", und wer mehr darüber wissen wolle, können alles in seinem neuen Buch nachlesen. Die Werbung für dieses Buch und Turturs Ausführungen über die "Wandlung der Energie quantenelektrodynamischer Nullpunktsoszillationen" findet man übrigens auf der Homepage der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften, an der Turtur als Professor tätig ist. Dort unterrichtet er allerdings nur Mathematik und Elektrotechnik; seine "Forschung" zur freien Energie findet außerhalb der Hochschule statt, und genau da gehört sie auch hin.

Es gibt viele Revolutionäre und Genies in der Welt der Esoterik. Glaubt man ihren Behauptungen, dann wären sie allesamt Kandidaten für den nächsten Nobelpreis. Auf Naturgesetze gibt man in der Szene nicht viel. Einsteins Relativitätstheorie wird noch vor dem Frühstück widerlegt; die Quantenmechanik vor dem Mittagessen neu formuliert, und den Rest des Tages verbringt man damit, eine neue "Theorie von allem" aufzustellen. Und da ist es auch kein Wunder, wenn man wissenschaftliche Fundamente wie die Hauptsätze der Thermodynamik ignoriert - auch der typisch esoterische Hang zur Verklärung des "alten überlieferten Wissens" hilft nicht, wenn das "alte Wissen" von Wissenschaftlern stammt und deren Aussagen in den letzten Jahrhunderten unzählige Male im Experiment bestätigt worden sind.

"Freie Energie" und "Perpetuum mobile"

Das, was heute "freie Energie" oder "Overunity" heißt, wurde früher "Perpetuum mobile" genannt: eine Maschine also, die mehr Energie erzeugt, als sie verbraucht. Mit so einem Gerät wären all unsere Energieprobleme gelöst. Wir müssten die Umwelt nicht mehr bei der Suche nach Öl und Kohle zerstören und mit Abgasen die Luft verschmutzen. Wir wären die Gefahren der Kernenergie los und könnten uns die Mühsal der Fusionsforschung sparen.

Ein Perpetuum mobile wäre eine großartige Sache - aber leider ist spätestens seit der thermodynamischen Forschung des 19. Jahrhundert klar, dass so eine Maschine niemals existieren kann. Von nichts kommt halt auch nichts, und Energie gibt's nirgendwo gratis. Dass es unmöglich ist, ein Perpetuum mobile zu bauen, hat sich mittlerweile auch schon bis in die Pseudowissenschaftszene herumgesprochen, was vermutlich auch der Grund ist, warum man die esoterischen Bastelarbeiten heutzutage mit allerlei wissenschaftlich klingenden Begriffen bezeichnet.

Von "gravitationsmindernden Kondensatoren" und der "Evert-Fluid-Technologie" ist da beispielsweise auf der Homepage der "Österreichischen Vereinigung für Raumenergie" die Rede. Dort präsentiert man auch gleich eine komplette "Energiepyramide" und erklärt, die mysteriöse Energie sei "masselos, materiedurchdringend, richtungslos, hochfrequenter Natur und schneller als das Licht". Klingt ein wenig kompliziert, und darum kann man bei der Vereinigung auch gleich einen kompletten Einführungskurs buchen (sofern man bereit ist, dafür 150 Euro zu bezahlen).

Kostenlos gibt's nichts

Die Aufklärung über das, was "freie Energie" tatsächlich bedeutet, gibt es übrigens kostenlos in jedem Nachschlagewerk zur Physik. In der Thermodynamik wird damit die Menge an Arbeit bezeichnet, die man aus einem geschlossenen System, dessen Temperatur konstant bleibt, holen kann. Es ist Energie, die frei werden kann. Aber eben keine Energie, die im esoterischen Sinne "frei", also kostenlos und unerschöpflich ist. Bis jetzt konnte noch keiner der vielen Bastler eine Maschine bauen, die einer seriösen Überprüfung standgehalten hätte.

Meistens verweigert man die Inspektion der eigenen Geräte aber sowieso und veranstaltet höchstens streng kontrollierte Demonstrationen für ein ausgewähltes Publikum. Ein Publikum, das danach meistens erfährt, dass man sich finanziell durchaus noch an der Forschung beteiligen kann - denn wenn das Gerät erst einmal in Massenproduktion hergestellt wird, dann bekomme man seine Investition ja mit großem Gewinn wieder zurück.

Zu gut, um wahr zu sein

Und das ist auch das beste Argument gegen die Existenz esoterischer freier Energie: Wenn solche Geräte tatsächlich funktionieren würden, dann müssten die Bastler sie nicht in ihren Werkstätten verstecken und um Spenden betteln. Wir würden sie überall kaufen können und die Erfinder würden stinkreich. Und selbst wenn man davon ausgeht, dass die Energiefirmen tatsächlich alle abgrundtief böse sind: Auch die wissen längst, dass der Profit aus dem Erdölgeschäft irgendwann verschwinden wird, und sehen sich nach Alternativen um. Anstatt die "freie Energie" zu unterdrücken, würden sie die Technik aufkaufen und selbst vertreiben, um sich damit möglichst schnell ein Monopol zu sichern.

Unser Strom kommt aber immer noch nicht aus einem Perpetuum mobile, sondern weiterhin aus der Steckdose. Es wäre schön, wenn sich unser Energieproblem so einfach lösen lassen würde. Die "freie Energie" wäre eine perfekte Lösung all unserer Problem. Und genau das ist der Haken: Freie Energie ist einfach zu gut, um wahr zu sein. (Florian Freistetter, derStandard.at, 12.11.2014)