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Front-National-Anhänger in Metz.

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Auszählung im Übersee-Departement La Réunion im Indischen Ozean.

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Frankreichs Wähler haben sich flexibel gezeigt. Im ersten Durchgang der Regionalwahlen vor einer Woche hatten sie den Front National (FN) zur stärksten Partei gemacht; knapp dahinter folgten die konservativen Republikaner von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Bei der Stichwahl am Sonntag drehten sie den Spieß um: Dank einer beträchtlichen Mobilisierung – die Wahlbeteiligung stieg um fast zehn Prozentpunkte – siegten die Gegenkandidaten der Frontisten in allen 13 Regionen. Und die Linke machte ihren Rückstand auf die bürgerliche Rechte weitgehend wett. An die Rechte gehen sieben Regionen, an die Linke fünf, während in Korsika die Autonomisten die Mehrheit im Regionalrat erringen.

In der Region Nordfrankreich verlor Marine Le Pen mit 42 Prozent gegen den Konservativen Xavier Bertrand, der vom Rückzug der Sozialisten nach dem ersten Wahlgang profitierte. In der Region der Côte d’Azur, Provence und Südalpen verlor Marion Maréchal-Le Pen mit 45 Prozent dem Konservativen Christian Estrosi; in Ostfrankreich inklusive Elsass blieb der FN-Vize Florian Philippot mit 36 Prozent klar hinter dem Konservativen Philippe Richert (48 Prozent), obwohl der Sozialist Jean-Pierre Masseret (15 Prozent) in dieser Region gegen die Weisung der Parteiführung ebenfalls angetreten war.

Bleicher Sarkozy

Auf alle Regionen gerechnet gelang es den Republikanern indessen nicht, mit ihren Parteifarben eine "blaue Welle" zu inszenieren. Das Sarkozy-Lager gewann zwar wahrscheinlich wichtige Regionen wie den Großraum Paris sowie Auvergne-Rhône-Alpes mit der Metropole Lyon, musste aber zulassen, dass die Sozialisten im Westen – Bretagne und Aquitanien – ihre Positionen behaupten konnten. Sarkozy wirkte in seinem Fernsehauftritt abgekämpft und bleich; nachdem er offen um die Stimmen der FN-Wähler für die Stichwahl gebuhlt hatte, erklärte er dem staunenden Fernsehpublikum, er mache "keine Zugeständnisse gegenüber den Extremen".

Noch verblüffender äußerte sich Marine Le Pen, erklärte sie doch rundweg, ihre Wähler hätten sich über die skandalösen Wahlaufrufe der Gegner hinweggesetzt. Das Gegenteil war der Fall: Die bürgerlichen und linken Parteien legten nach eindringlichen Aufrufen ihrer Parteispitzen stimmenmäßig zu; die FN-Kandidaten hatten ihr Stimmenpotenzial hingegen offensichtlich schon im ersten Wahlgang ausgeschöpft. Trotzdem gab sich Le Pen am Sonntagabend kämpferisch. "Nichts wird uns aufhalten können", rief sie ihren Anhängern zu. Der Aufstieg ihrer Partei sei "unabwendbar".

Valls verspürt "keinerlei Erleichterung"

Der sozialistische Premierminister Manuel Valls, der sich zu den Siegern der Stichwahl zählen durfte, erklärte, er verspüre "keinerlei Erleichterung oder Triumphgefühl", denn die Gefahr des FN sei "nicht beseitigt". Genau einen Monat nach den Terroranschlägen von Paris verlangten die Bürger mehr Sicherheit und keine politischen Wagnisse, fügte er an. Noch am Wahlwochenende hatte Valls im Radio davor gewarnt, "für eine antisemitische, rassistische Partei" zu stimmen, die das Land zu spalten und in einen Bürgerkrieg zu stürzen drohe.

Mit dieser bewussten Dramatisierung des Wahlgangs verteidigte sich der Chef der Linksregierung auch gegen Vorwürfe von rechts, die Sozialisten hätten den Vormarsch der Frontisten bewusst gefördert, um die Republikaner zu schwächen. Nachträglich erwies sich der Rückzug von sozialistischen Kandidaten in zwei umstrittenen Regionen als ein geschickter Schachzug, der ihnen bei späteren Wahlen ein moralisches Argument verleiht.

Hollande legt zu

Den Sozialisten, die ortsweise mit Grünen und Kommunisten antraten, kam zweifellos auch die wiedergefundene Popularität ihres Präsidenten zugute. François Hollande hatte schon nach den Terroranschlägen mehr als 20 Sympathiepunkte in den Umfragen zugelegt; am Samstag konnte er sich zudem als strahlender Gastgeber der Klimakonferenz von Paris präsentieren.

Die Präsidentschaftswahl Mitte 2017 – für die die Regionalwahlen ein letzter Stimmungstest waren – scheint damit offener denn je. Nur Marine Le Pen hat ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Sarkozy wird sich einer wachsenden internen Opposition stellen müssen. Hollande scheint auf der Linken plötzlich wieder unbestritten, sofern ihm Valls in den Meinungsumfragen nicht zu gefährlich wird.

13 statt 22 Regionen

Regionale Themen hatten es in dem Wahlkampf sehr schwer; sie wurden überschattet von den Terroranschlägen, der Wirtschaftskrise und der FN-Thematik. Zudem verfügen die Regionen über geringe Kompetenzen im Bereich Mittelschulbau, Berufslehre, öffentlicher Verkehr und Förderung lokaler Firmen. Zu wählen waren insgesamt 1.757 Regionalräte. Sie werden in den kommenden Tagen die Vorsteher der Regionalparlamente wählen. Nach der Territorialreform von 2014 gibt es in Frankreich noch 13 Regionen, davor waren es 22 gewesen. Die größte Region ist die Île-de-France, der Großraum Paris mit zwölf Millionen Einwohnern. Die zweitgrößte ist Auvergne-Rhône-Alpes mit der Metropole Lyon, die fast acht Millionen Einwohner zählt. (Stefan Brändle aus Paris, 13.12.2015)