Wien – Grauer Schal und Winterjacke statt weißes Hemd, Anzug und Krawatte: Zumindest das Styling im Antrittsvideo deutet darauf hin, dass Alexander Van der Bellen sein Amt als Bundespräsident, sollte er denn gewählt werden, etwas anders anlegen könnte als seine Vorgänger. Freitagvormittag gab der langjährige Grünen-Chef seine parteiunabhängige Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl 2016 bekannt. Er tat dies via Youtube- Video – die Oldschool-Variante der Bekanntgabe, eine offizielle Pressekonferenz, findet hingegen erst am Sonntag statt.

Alexander Van der Bellen

Das Youtube-Video trägt den Titel "Mutig in die neuen Zeiten!" – ein Zitat aus der dritten Strophe der österreichischen Bundeshymne. Der Text des Videos, mit ruhiger Stimme vorgetragen von Van der Bellen selbst, handelt viel von Ängsten, Sorgen und Krisen und deren Überwindung. Van der Bellen wolle dazu "einladen", gemeinsam in eine "helle" und "hoffnungsfrohe" Zukunft zu gehen, und er macht dies im Clip gleich vor: Das Bild zeigt Van der Bellen oft von hinten, die Kamera folgt ihm, während er die Stiegen zum Parlament hinauf oder durch die Straßen des zweiten Wiener Bezirks spaziert. "Jeder, der hier lebt", habe das Recht, in Würde zu leben, heißt es in dem Video – das Bekenntnis zu Menschenrechten wird prominent am Beginn des Clips präsentiert. Aber auch Patriotismus darf nicht fehlen: Er "glaube" an Österreich, Österreich sei "meine Heimat", gelobt Van der Bellen, ganz Staatsmann. Auf Twitter erntete er dafür den Spitznamen "Öbama".

Nur offiziell "unabhängig"

Van der Bellen, 1944 in Wien geboren und in Tirol aufgewachsen, war von 1997 an elf Jahre lang grüner Bundessprecher, bis die Funktion 2008 auf die derzeitige Parteichefin Eva Glawischnig überging.

Offiziell ist Van der Bellen zwar parteiunabhängiger Kandidat. Ohne "tatkräftige" grüne Unterstützung, die ihm Glawischnig am Freitag auch via Aussendung zugesichert hat, könnte er den Wahlkampf aber wohl weder finanziell noch personell schultern.

Grüne Werbe-Datenbanken liefen jedenfalls schon am Freitag heiß: Per Mail an alle Newsletter-Empfänger ruft Glawischnig dazu auf, Van der Bellens Social-Media-Aktivitäten zu verfolgen und zu teilen. Für die Medienarbeit im Wahlkampf ist der bisherige Pressesprecher Eva Glawischnigs, Reinhard Pickl-Herk, zuständig. Die Wahlkampfzentrale befindet sich im Grünen-Büro am Rooseveltplatz in Wien-Alsergrund. Im Vorstand des Unterstützerkomitees sitzen neben Van der Bellens früherem Pressesprecher Lothar Lockl auch die derzeitige grüne Bundeskommunikationschefin Nives Sardi und Klubgeschäftsführer Robert Luschnik.

Zustimmung der Grünen nicht nötig

Auch wenn der Unterschied zwischen "Parteikandidat" und "von Partei unterstützter Kandidat" auf den ersten Blick ein winziger sein mag, beim näheren Hinsehen knüpfen sich daran einige Konsequenzen: So erspart sich Van der Bellen beispielsweise, die Zustimmung der Delegierten zum grünen Bundeskongress einzuholen. Partei und Kandidat umgehen somit lästige Diskussionen mit der Parteibasis, auch Medienberichte über ein möglicherweise nicht ganz makelloses Abstimmungsergebnis können so umgangen werden. Zudem muss eine parteiunabhängige Unterstützerplattform für Van der Bellen die Wahlkampfspenden nicht offenlegen.

Wäre er ein Parteikandidat der Grünen, so wären diese an die strengeren Transparenzregeln des Parteiengesetzes gebunden. Nicht zuletzt ist die Symbolik eine andere: Da die Grünen keine Großpartei sind, wäre die Punzierung als Grün-Kandidat wohl keine Wahlhilfe – und würde auf manche potenzielle Sympathisanten des Wirtschaftsprofessors vielleicht sogar abschreckend wirken.

Foto: Foto: Standard/Cremer

Die Zahl der Reaktionen auf die Bekanntgabe hielt sich am Freitag in Grenzen. Die FPÖ in Person von Generalsekretär Herbert Kickl wittert in Van der Bellen einen "linken Wolf im bürgerlichen Schafspelz". Die niederösterreichische ÖVP, deren Obmann Erwin Pröll zuvor seinen Verzicht auf eine Kandidatur bekanntgegeben hatte, findet es wiederum "mutlos", dass sich Van der Bellen einen Tag länger für die Entscheidung Zeit gelassen hat als Pröll.

Wahltermin weiter ungewiss

Doch wann wird überhaupt gewählt? Der offizielle Termin steht immer noch nicht fest.

Es liegt an der Bundesregierung, dem Nationalrat einen Zeitpunkt vorzuschlagen, auf dass dieser dann darüber berät, abstimmt und die Wahl ausschreibt. Doch der Vorschlag für den Wahltermin ist, wie der STANDARD am Freitag im Bundeskanzleramt erfuhr, erst im Ministerrat am 19. Jänner als Tagesordnungspunkt geplant – vier Tage nach der Präsentation des SPÖ-Kandidaten.

In mehreren Medien wurde spekuliert, dass der Urnengang am 24. April abgehalten werde. Dies scheint auch wahrscheinlich zu sein – das wäre dann genau sechs Jahre nach Abhalten der letzten Bundespräsidentenwahl 2010, aus welcher der amtierende Präsident Heinz Fischer als Gewinner hervorging. (Maria Sterkl, 8.1.2016)