Auf dem Land gibt es eigene Politikregeln: Wer in den Vereinen präsent ist, stellt den Bürgermeister.

Foto: Heribert Corn

Wien – Ein typischer österreichischer Bürgermeister heißt Josef, steht einer Gemeinde mit 1001 bis 1500 Einwohnern vor, hat keinen akademischen Titel, übt aber einen Zivilberuf neben dem Amt aus – und ist von der ÖVP. Bei der letzten Nationalratswahl auf 24 Prozent gefallen, stellt die Volkspartei in Österreich immer noch 60 Prozent aller Gemeindechefs.

1.257 ÖVP-Bürgermeister, null Grüne

In den Dörfern und Städten funktioniert Politik eben nach anderen Gesetzen als auf Bundesebene. Es ist vor allem die Vereinsmeierei, der die ÖVP ihre Vorherrschaft verdankt. Das dichte Netzwerk an Blasmusikkapellen, Trachtengruppen und anderen heimatverbundenen Verbänden beschert den Schwarzen große Präsenz im ländlichen Raum, sagt der Politologe Ferdinand Karlhofer.

Von 1257 Bürgermeistern, wie sie die ÖVP stellt, kann die SPÖ mit ihren 465 Ortsleitern nur träumen. 37 Gemeinden werden von der FPÖ geleitet, das BZÖ hält noch zwei kommunale Chefsessel okkupiert. Selbst das Team Stronach stellte in Vergangenheit einen Bürgermeister, und zwar im Lavanttal in Kärnten.

Zu keiner einzigen Dorfkrönung haben es bis jetzt hingegen die Grünen geschafft. Einzig Ökolisten, die der Oppositionspartei zumindest thematisch nahe stehen, war der Sprung an eine Gemeindespitze beschert. Nachdem Josef Buchner 1997 mit seiner Bürgerinitiative für Umweltschutz die Direktwahl um die Führung des oberösterreichischen Ortes Steyregg gewann, galt er als "erster grüner Bürgermeister" Österreichs; der einstige Nationalratsabgeordnete stammt politisch aber aus den mittlerweile aufgelösten Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ), nicht aus der heutigen grünen Parlamentspartei.

Wie in einem Boxkampf

Nicht überall gebe es ein Griss um das Amt, berichtet Daniel Kosak, Sprecher des Gemeindebundes, mancherorts gestalte sich die Suche nach einem potenziellen Bürgermeister bereits schwierig. Ein Grund sei die Direktwahl, wie sie in sechs Bundesländern abgehalten wird. Das persönliche Duell – einer gegen einen wie bei einem Boxkampf – schrecke viele von einer Kandidatur ab, sagt Kosak. Während Kandidaten beim Listenwahlrecht Backup von einem Team oder einer Partei hätten, stiegen Einzelkämpfer nach einer Niederlage oft gleich gänzlich aus der Kommunalpolitik aus.

Auch die steigenden Anforderungen machten den Job unattraktiver. Bürgermeister arbeiteten intensiver als früher, sagt Kosak, politische Aktivitäten würden mehr und mehr durch Managementaufgaben ersetzt. 80 Prozent stehen neben dem Amt ohnehin in einem Zivilberuf.

Maximalgehalt im Wiener Rathaus

Wie viel ein Bürgermeister für seine Arbeit bekommt, hängt vom Ort ab. Die Bezüge werden von den Ländern bestimmt, generell gilt: Je mehr Einwohner, umso höher ist das Gehalt. Sofern ein Bürgermeister nicht im Wiener Rathaus sitzt, Michael Häupl verdient dort 17.373 Euro 14-mal im Jahr, erhält er laut Gemeindeverbund maximal 14.271,93 Euro brutto im Monat. Dafür muss er sein Amt aber in einer Vorarlberger Gemeinde antreten, die mehr als 30.000 Einwohner zählt und genügend Touristen anzieht.

Vorarlberger Tourismusorte geben ihren Bürgermeistern möglichst viele Nächtigungen als Ziele vor. Am Ende des Monats wird abgerechnet, und erfolgreichen Gemeindechefs winken Prämien. Neidisch könnte da ein Burgenländer werden: Im östlichsten Bundesland werden die niedrigsten Gehälter gezahlt. Wohnen im Ort weniger als 500 Bürger, bekommt der Dorfchef nur 1782,40 Euro brutto.

Seit 37 Jahren im Amt

Prinzipiell kann ein Bürgermeister auf Lebzeiten ein solcher bleiben. Der klassische Dorfkaiser werde aber immer rarer, sagt Politologe Karlhofer, eine Folge der Direktwahl: Die Chance, aus dem Amt abgewählt zu werden, sei damit gestiegen. Neukirchen am Großvenediger sah dennoch seit 1979 keinen Grund, einen neuen Chef zu wählen: Laut Gemeindebund residiert im Salzburger Dorf mit Peter Nindl von der ÖVP der dienstälteste aller Bürgermeister. Die längstdienende Bürgermeisterin komme aus dem niederösterreichischen Petzenkirchen. Die Sozialdemokratin Lisbeth Kern ist dort seit 20 Jahren im Amt.

Kern und ihre Kolleginnen sind eine kleine Minderheit, gerade einmal sieben Prozent aller Gemeindechefs sind Frauen. Am niedrigsten ist die Quote in Salzburg – im gesamten Bundesland gibt es nur vier Bürgermeisterinnen. Insgesamt gilt: Es gibt mehr Bürgermeister, die Josef heißen, als Bürgermeisterinnen. (Gerhard Eichholzer, 12.7.2016)