In der Nacht auf Samstag gab es nicht wenige, die klammheimlich einen Sieg der Putschisten erhofften – weil Erdogan, obzwar gewählt, eine Gefahr für die pluralistische Demokratie ist. Aber dürfen Demokraten für einen Militärputsch sein und sich dann auch noch Demokraten nennen?

Natürlich gibt es Umstände, unter denen eine Machtergreifung der Militärs das kleinere Übel ist – jetzt unabhängig von der Frage, ob diese Umstände in der Türkei Erdogans vorhanden sind. Dennoch gibt es eine leise Ernüchterung – die Demokraten fremdeln mit der Demokratie.

Emphatische, überzeugte Demokraten würden immer und an allen Orten sagen: dass eine Demokratie ein besseres Gemeinwesen hervorbringen wird, dass durch die Praktizierung von Demokratie die Bürger zu immer besseren Demokraten werden, dass unmündige Bürger durch die Praxis der Demokratie zu mündigeren Bürgern werden und dass mehr Demokratie zu immer besserer Demokratie führen wird; dass demokratische Entscheidungen, die die Bürger treffen, in aller Regel bessere Resultate zeitigen werden als nichtdemokratische Entscheidungen, und mag diese der schlaueste und wohlmeinendste Technokrat treffen.

Hand aufs Herz: Ist diese Überzeugung heute bei uns noch überall Konsens? (Robert Misik, 17.7.2016)