Brüssel – Die Apple von Irland jahrelang gewährten Steuervorteile verstoßen gegen EU-Wettbewerbsrecht, der US-Konzern muss 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen: Das teilte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Dienstag mit. Irland müsse die rechtswidrige Beihilfe für die Jahre 2003 bis 2014 nun samt Zinsen zurückfordern. Mit diesem Ergebnis geht ein jahrelanges Ermittlungsverfahren der EU-Kommission gegen den kalifornischen Technologiekonzern zu Ende. Bereits 2014 hatte die Kommission ein Verfahren gegen Irland eingeleitet. Apple will nun gegen die Entscheidung in Berufung gehen. Irland hat der Entscheidung der EU-Kommission widersprochen.

Den Verdacht der Wettbewerbshüter erregt hatten zwei Absprachen zwischen Apple und der irischen Regierung aus den Jahren 1991 und 2007. Darin vereinbarten beide Seiten, wie Einnahmen der diversen Apple-Gesellschaften in Irland steuerlich zu behandeln sind. Festgelegt wurden bestimmte Verfahren, mit denen das steuerliche Einkommen der Apple-Gesellschaften ermittelt werden sollte. Nach Ansicht der EU-Kommission wurden Apple dabei Steuervorteile gewährt, die einer illegalen staatlichen Beihilfe gleichkommen.

Steuerquote zuletzt nur 0,005 Prozent

Die von der Kommission unter die Lupe genommenen irischen Gesellschaften waren Apple Sales International (ASI) und Apple Operations Europe (AOE). ASI verkauft Apple-Geräte wie das iPhone in Europa und dem Nahen Osten, aber auch in Indien, und streicht dafür die Einnahmen ein. Wenn also jemand in Wien ein iPhone erwirbt, landet der Kaufpreis bei ASI in Irland. ASI zahlt im Gegenzug an den US-Mutterkonzern eine Lizenzgebühr für die Nutzung der verschiedenen Apple-Technologien.

Laut EU-Kommission hat Apple dafür gesorgt, dass die Konzernniederlassungen in Irland so gut wie keine Steuern bezahlen mussten. Ein Beispiel: Im Jahr 2011 beliefen sich die Einnahmen von ASI in Irland auf 16 Milliarden Euro, die zu versteuernden Einnahmen lagen aber nur bei 50 Millionen. Die Steuerquote des Unternehmens betrug somit 0,05 Prozent, wie Wettbwerbskommissarin Vestager sagte. Bis zum Jahr 2014 fiel diese Quote noch weiter auf 0,005 Prozent.

Zwei Tricks

Apple wandte dabei zwei Tricks an. Zunächst wurde in Absprache mit Steuerbehörden in Dublin festgelegt, dass Apple großzügig konzerninterne Ausgaben geltend machen konnte. Wenn Apple also die Einzelteile von iPhones bei chinesischen Herstellern erwarb, wurde das als gewinnschmälernde Konzernausgabe anerkannt, wie die Ausgaben für die Lizenzgebühren.

Dass sich Tochtergesellschaften von globalen Konzernen gegenseitig Kosten für Produkte und Lizenzen in Rechnung stellen, ist nicht unüblich. Damit optimieren sie auch regelmäßig ihre Steuerbasis, aber selbst das ist weder unüblich noch per se illegal. Die entscheidende Frage ist immer, ob die intern verrechneten Preise korrekt ermittelt wurden. Bei Apple war das offenbar nicht der Fall.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schreibt vor, dass Unternehmen mit Waren und Lizenzen intern nur zu "marktüblichen" Preisen handeln dürfen. Nun gibt es komplexe Verfahren dafür, wie diese marktüblichen Preise festgestellt werden können. Irland hat darauf aber keinen Wert gelegt und Apple einfach erlaubt, pauschal Ausgaben geltend zu machen, die es offenbar nie gegeben hat. Diese Vorgehensweise wurde offenbar unter anderem damit begründet, dass Apple in Irland viele Mitarbeiter beschäftigt und bei einer steuerlich günstigen Behandlung weiter expandieren wird. Solche Absprachen sind laut EU-Kommission ein klarer Hinweis, dass hier Begünstigungen gewährt wurden.

Schlupfloch im Steuerrecht

Zweitens nutzte Apple ein besonderes Schlupfloch im irischen Steuerrecht. Demnach wurde ein Großteil der einmal ermittelten Gewinne von Apple in Irland nicht ordnungsgemäß versteuert. Stattdessen wurden die Beträge einer irischen Zweigniederlassung zugewiesen – und dort ebenfalls nicht besteuert.

Diese Zweigniederlassung ("Head Office") managte offiziell die Tätigkeiten der verschiedenen Apple-Gesellschaften, war also auf dem Papier eine Art Mutterkonzern. Tatsächlich verfügte sie weder über Mitarbeiter noch über eigene Büroräume. Ein irisches Gesetz schrieb aber bis 2013 vor, dass in Irland nur Unternehmen zu besteuern sind, die tatsächlich auch von Irland aus geleitet werden. Da das bei dieser Apple-Zweigniederlassung nicht der Fall war, wurden die Gewinne des Head Office steuerlich nicht erfasst. In den USA musste Apple die Gewinne der irischen Gesellschaft aber ebenso nicht versteuern, weil aus Sicht des US-Steuerrechts der Konzernsitz offiziell in Irland war.

Irland widerspricht EU-Entscheidung

Die irische Regierung widersprach der Entscheidung der EU-Kommission. "Irland hat Apple keine Steuervorteile gewährt", hieß es in einer Stellungnahme am Dienstag. Sämtliche fällige Steuern seien bezahlt worden, es seien auch keine unerlaubten staatlichen Beihilfen gewährt worden.

Apple geht in Berufung

Apple will sich gegen die drohende Steuernachzahlung wehren. "Wir werden in Berufung gehen und sind zuversichtlich, dass die Entscheidung gekippt wird", teilte der Konzern am Dienstag mit. "Apple befolgt das Gesetz und zahlt alle fälligen Steuern, wo auch immer wir aktiv sind." Der Konzern wandte sich auch in einem offenen Brief an die "Apple-Community" in Europa.

USA kritisiert EU

"Das Vorgehen der EU-Kommission könnte ausländische Investitionen und das Wirtschaftsklima in Europa untergraben", sagte ein Sprecher des US-Finanzministeriums am Dienstag. Auch das Grundverständnis der transatlantischen Partnerschaft sei in Gefahr.

(szi, 30.8.2016)