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Martin Schulz geht nach Berlin. Fragen nach konkreteren Plänen wehrt er aber derzeit noch ab.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Berlin/Straßburg/Wien – Der Abschied fällt ihm sichtlich schwer. Obgleich Martin Schulz (SPD) in Brüssel ein erfahrenes und politisches Schwergewicht ist, war seine Stimme, als er am Donnerstagvormittag in Brüssel seine Pläne bekanntgab, brüchig.

Er will nicht mehr für das Amt des EU-Parlamentspräsidenten kandidieren, sondern sich im kommenden Jahr für ein Bundestagsmandat bewerben. "Diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen", erklärte Schulz und betonte: "Ich werde nun von der nationalen Ebene aus für das europäische Projekt kämpfen. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, das Leben der Menschen ein Stück besser zu machen, und ich will mit einer klaren Haltung meinen Beitrag leisten, dass Gräben in unseren Gesellschaften und zwischen den Ländern wieder geschlossen werden."

In Deutschland ist die Freude in der SPD über den Wechsel von Schulz groß. "Ich freue mich, dass er seine Erfahrung und seine Begeisterung für Europa in Zukunft in Berlin einbringen möchte. Ich kenne wenige, die die europäische Idee so verkörpern wie Martin Schulz", sagt SPD-Generalsekretärin Katarina Barley.

Schulz wird in Deutschland natürlich nicht parteiintern um ein aussichtsreiches Bundestagsmandat rittern müssen. Im Gegenteil: Er bekommt Platz eins der Landesliste Nordrhein-Westfalen, seinem Heimatbundesland. Eine entsprechende Vereinbarung hatte er am Abend zuvor mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und dem Parteivorstand getroffen.

Man kann auch davon ausgehen, dass Schulz nicht als "einfacher" Abgeordneter in den Bundestag einziehen und dort auf der Hinterbank Platz nehmen wird, sondern in der SPD noch etwas vorhat. Nach wie vor sind dort zwei Topjobs neu zu besetzen: Die SPD braucht einen Nachfolger für Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der am 12. Februar zum neuen Bundespräsidenten gewählt wird.

Ungeklärt ist immer noch die Frage der Kanzlerkandidatur. Von SPD-Chef Sigmar Gabriel (57) weiß man, dass er 2017 viele Windeln wechseln wird. Er und seine Frau bekommen das zweite Kind. Ob er Kanzlerkandidat werden will oder vielleicht Schulz den Vortritt lässt, darüber schweigt er sich aus. Erst Ende Jänner soll dann Klarheit herrschen.

Karas im Nachfolgerrennen

Schulz betonte in seiner Brüsseler Erklärung, die er auf Deutsch, Englisch und Französisch vortrug, dass er aber vorerst sein Amt weiter ausüben werde. Mitte Jänner stehen im EU-Parlament die Neuwahl des Präsidenten, aber auch seiner vierzehn Stellvertreter, außerdem von fünf Quästoren und vielen Ausschussvorsitzenden an.

Bis Donnerstag war erwartet worden, dass Schulz eigentlich für eine dritte Amtszeit kandidieren wolle, obwohl eine Vereinbarung von Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) vorgesehen hätte, dass in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode ein EVP-Abgeordneter zum Zug kommen sollte. Schulz hatte mithilfe der Sozialdemokraten und auch der von Kommissionschef Jean-Claude Juncker sogar seit Monaten darum gekämpft.

Die Reaktionen auf seine Klarstellung fielen daher gemischt aus. Juncker sagte, er "bedauere das". Viele Abgeordnete hoben die Verdienste von Schulz hervor, das politische Gewicht des EU-Parlaments zu stärken oder sich deutlich gegen "demagogischen Populismus" zu stellen.

Gleichwohl gab es auch Kritik daran, dass der Deutsche die Parlamentarier in der Präsidentenfrage erst so lange hingehalten habe, um dann erst recht zu gehen. In der EVP läuft das Rennen um seine Nachfolge: Neben dem Franzosen Alain Lamassoure und der Irin Maired McGuinness werden auch Othmar Karas (ÖVP) gewisse Chancen eingeräumt. (Birgit Baumann Thomas Mayer, 24.11.2016)