Der Purbäcker Kanal wurde im Winter vom Schilf befreit und ausgebaggert.
Der Purbäcker Kanal wurde im Winter vom Schilf befreit und ausgebaggert.
Guido Gluschitsch

Nur wenige Meter vor den Kanadiern sticht ein Vogel ins Wasser des Purbäcker Kanals – schwingt sich dann aber, ohne einen Fisch erbeutet zu haben, wieder gen Himmel auf, um seine Jagd von neuem zu beginnen. Mehrere Schlangen kreuzen schwimmend unseren Weg. Der drei Kilometer lange Kanal wurde im Winter von der Gemeinde ausgebaggert und vom Schilf befreit. Nun können auch wieder Segelboote mit wenig Tiefgang auf den See hinausfahren. Aber wirklich nur die mit wenig Tiefgang. Denn draußen, wo der Kanal in den See mündet, wo das Land Burgenland gebaggert hat, hat sich wieder Schlamm angesammelt.

Ein Kajakfahrer kommt gerade zu dieser Stelle, sticht mit seinem Paddel in den See, um zu schauen, wie tief das Wasser dort ist. Es werden so 40, 45 Zentimeter sein. "Ich versteh nicht, warum nicht mehr Leute auf dem See paddeln – das geht nämlich wunderbar. Stattdessen raunzen sie, dass sie mit ihren dicken Schiffen nicht rauskommen."

Die Gänse teilen sich in Mörbisch den Hafen mit den Seglern.
Die Gänse teilen sich in Mörbisch den Hafen mit den Seglern.
Guido Gluschitsch

"Wir kommen problemlos raus", erklärt ein Seglerpaar im Hafen in Mörbisch, das gerade ein Segelboot für die Saison vorbereitet. "Unser Hafen hat aktuell 80 bis 90 Zentimeter Wassertiefe", sagt Marlies Halwax. Sie betreut den Hafen. "Viele Liegeplatznehmer haben gekündigt, viele haben sich dazu entschieden, die halbe Liegegebühr zu zahlen, auch wenn sie nicht mit ihrem Boot ins Wasser gehen, um sich so den Platz weiter zu sichern – etwas weniger als die Hälfte unserer Kunden ist noch da und zahlt voll."

Radlerparadies Neusiedler See

Im Gemeindehafen von Mörbisch wurde im vergangenen Winter nicht gebaggert, erzählt Halwax, wohl aber im Yachthafen, in einem Teil der Ausfahrt und dort, wo die Fähren fahren. Die Fähren sind Anfang Juni schon gut besucht. Es wimmelt rund um die Anlegestelle von Radlerinnen und Radlern, die nach Illmitz übersetzen wollen. Die Überfahrt sei kein Problem, sagt ein Bootsführer und sieht einem schönen Sommer ohne Einschränkungen entgegen. Ein deutscher Gast will von der See-Problematik noch gar nichts mitbekommen haben. Eine Burgenländerin schimpft auf die Medien, die immer ein so schlechtes Bild zeichnen, "dabei is der See eh no do".

Bei der Kassa der Fahrradfähre schoppt es sich im Juni schon ordentlich. Die Fährbetreiber blicken der Saison erwartungsvoll entgegen.
Bei der Kassa der Fahrradfähre schoppt es sich im Juni schon ordentlich. Die Fährbetreiber blicken der Saison erwartungsvoll entgegen.
Guido Gluschitsch

Ein Stück weiter erklärt ein Mann: "Wir machen uns schon Sorgen." Er besitzt eine der Schilfhütten am See, südlich von Rust, und kam vergangenes Jahr ab Ende August nicht mehr zu seinem Feriendomizil. Heuer wird es nicht viel anders werden, fürchtet er, aber nein, ans Verkaufen denkt er nicht. "Ich bin mir sicher, dass der See gerettet wird."

"Ich habe in den vergangenen Jahren rund 50 solcher Hütten verkauft", sagt Michael Spiess, Immobilienmakler und ebenfalls Besitzer einer Hütte in Rust. "Diese Hütten sind normalerweise sehr lange im Besitz der Familie, und erst dann, wenn die Kinder nicht mehr übernehmen wollen, werden sie verkauft." In den vergangenen zehn Jahren gab es eine permanente Wertsteigerung, und "noch nie hat wer für seine Hütte weniger bekommen, als er bezahlt hat", sagt Spiess. Bis jetzt.

In Rust legt die Fähre unweit vom Restaurant an.
In Rust legt die Fähre unweit vom Restaurant an.
Guido Gluschitsch

"Immobilien auf dem offenen See sind, wenn überhaupt, nur sehr schwer und mit signifikanten Preisreduktionen zu verkaufen." Lediglich bei jenen Seehütten, die auch über einen Landzugang verfügen, ändern sich die Preise nicht. Käme aber eine Zuleitung und wäre durch diese der See gesichert, wäre alles wieder schlagartig anders.

"Wir hoffen auf eine Zuleitung", sagt Marlies Halwax, "aber in den nächsten Monaten wird die nicht kommen." Es müsse alles schneller gehen, das Problem sei ja nicht neu – "wir hatten das ja vor zehn Jahren schon". Wenn nichts passiert, sieht sie nicht nur ihre Existenz bedroht. "Der See ist wichtig für den Tourismus und die Wirtschaft – wäre der See weg, kämen vielleicht ein, zwei Jahre nur noch ein paar Schaulustige."

Breitenbrunn ist auf der einen Seite sehr schön und es ist hier heuer recht wenig los.
Breitenbrunn ist auf der einen Seite sehr schön, und es ist hier heuer recht wenig los.
Guido Gluschitsch

Der Neusiedler See ist aber mehr als nur eine Geldquelle für die Region. Gerade wenn man ihn mit dem Kanu erkundet, merkt man, welches Naturjuwel er ist – wie auch die Salzlacken im Seewinkel.

Auf der anderen Seite ist Breitenbrunn eine riesige Baustelle, was auch erklärt, warum die Gäste ausbleiben. Die Esterházy-Betriebe bauen Breitenbrunn vom Familien- zum Schickimicki-Bad um.
Auf der anderen Seite ist Breitenbrunn eine riesige Baustelle, was auch erklärt, warum die Gäste ausbleiben. Die Esterházy-Betriebe bauen Breitenbrunn vom Familien- zum Schickimicki-Bad um.
Guido Gluschitsch

Nicht nur der Wasserstand des Neusiedler See ist nach den Regenfällen um rund 15 Zentimeter gestiegen und liegt wieder über dem Niveau des Vorjahres – auch in einigen Lacken, die im Frühjahr trockengefallen sind, spiegelt es sich wieder. Sogar die Lange Lacke, die viele schon aufgegeben haben, hält ihr Wasser bereits seit Wochen.

Grundwasser für die Lacken

Die Regenfälle waren auch für viele Vogelarten wichtig. Für die Graugänse aber, die schon im März – oder gar nicht – brüten, kamen sie allerdings zu spät, und möglicherweise hat "das eine oder andere in Ufernähe brütende Säbelschnäblerpaar sein Gelege durch steigendes Wasser verloren", sagt Harald Grabenhofer, Forschungsleiter des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel. "Insgesamt sind die Regenfälle aber auch aus Vogelsicht ganz sicher positiv zu bewerten." Vordergründiges Ziel des Nationalparks ist die Hebung des Grundwasserspiegels im Seewinkel, weil nur so die Lacken erhalten werden können. Nach Plänen des Landes Burgenland soll eine kommende Zuleitung beides können.

Sogar in der Langen Lacke ist seit Wochen wieder Wasser.
Sogar in der Langen Lacke ist seit Wochen wieder Wasser.
Guido Gluschitsch

"Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt", heißt es dazu aus dem Büro des zuständigen Landesrats Heinrich Dorner (SPÖ). "In der Frage einer Zuleitung aus der Moson-Donau und auch bei einer relativ rasch umsetzbaren zusätzlichen Zwischenlösung im Einserkanal sind wir von unseren ungarischen Nachbarn abhängig." Jeder Einleitung in den Neusiedler See muss die internationale ungarisch-österreichische Gewässerkommission zustimmen. Für die Zwischenlösung soll die Ikva aufgestaut und in den See gepumpt werden.

Noch einmal ein kleiner Abstecher nach Rust.
Noch einmal ein kleiner Abstecher nach Rust.
Guido Gluschitsch

Gleichzeitig prüft das Land eine innerösterreichische Zuleitung und plant bereits die Schilf- und Schlammarbeiten, die im Oktober wieder beginnen. Man arbeitet auf Hochtouren, und sogar die Frage, wie viel Geld das Burgenland für die Seerettung auszugeben geplant hat, ist schnell beantwortet: "So viel, wie notwendig sein wird." (Guido Gluschitsch, 13.6.2023)

Mit dieser Aufnahme aus Weiden am See beschließen wir den heutigen Seerundgang.
Mit dieser Aufnahme aus Weiden am See beschließen wir den heutigen Seerundgang.
Guido Gluschitsch