Michael Ludwig (vorne) zog nicht nur beim Wiener Donauinselfest mit Babler an einem Strang, sondern auch beim Kampf gegen Doskozil.
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Immer diese Wiener: Vor dem Parteitag am Wochenende in Graz fliegen den Vertretern der Hauptstadt in der SPÖ nicht gerade die Herzen zu. Das liegt an der Rolle, die Bürgermeister Michael Ludwig im chaotischen Führungskampf um die Bundesspitze gespielt hat.

Vehement hatte sich der Stadtparteichef gegen Hans Peter Doskozil, den Favoriten der anderen Landesparteichefs, gestemmt. Erst pushte er Pamela Rendi-Wagner, nach deren Niederlage bei der Mitgliederbefragung notgedrungen Andreas Babler. Als letzterer aber nach seinem Überraschungssieg tatsächlich das Zepter übernommen hatte, verabschiedete sich Ludwig aus den Führungsgremien der Bundepartei – als habe er mit all dem nichts zu tun, wie seine Kritiker monieren.

Queere Pädagogik und Stopfleber

Beim Parteitag bringen sich die Wiener wieder in den Verdacht, die Linie vorgeben zu wollen. Dass das Antragsheft gleich 322 Seiten umfasst, liegt hauptsächlich an den Genossinnen und Genossen aus der Metropole. 99 der 157 Anliegen, über die rote Teilorganisationen abstimmen lassen wollen, stammen aus Wien. So manche Bezirksgruppe geht dabei ziemlich ins Detail. "Wertvolles Brot für alle" steht ebenso auf der Wunschliste wie eine queer-gerechte Pädagogikausbildung, eine Kampfansage an Rückenschmerzen oder ein Importverbot für Gänsestopfleber.

Es sei ein Wahnsinn, wie die Kollegen die Tagesordnung zuschütteten, ärgert sich ein Vertreter einer anderen großen Landesorganisation: "Wie fahren ja nicht zu einem Wiener Parteitag." Obendrein beschere mancher Vorstoß der SPÖ ungute Debatten. Dass die Wiener in einem Antrag etwa einen Abschiebestopp nach Afghanistan fordern, sei in Zeiten, in denen sich jüdische Mitbürger vor Übergriffen fürchten müssten, das "falsche Signal".

Aufregung über Afghanistan-Antrag

Prompt versuchte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker die SPÖ als Verursacherin von "Asylchaos" zu brandmarken. Ein Abschiebestopp würde bedeuten, dass auch Schwerstverbrecher nicht mehr außer Landes gebracht werden könnten, wetterte er.

Was Stocker allerdings nicht dazusagt: Nach Afghanistan wird längst schon nicht mehr abgeschoben, und zwar seit der Machtübernahme der Taliban 2021. Warum die SPÖ dann überhaupt einen Stopp fordert?

Ein Sprecher der SPÖ Wien erklärt das mit der langen Vorlaufzeit. Die Bezirksgruppen – in diesem Fall stammt die Initiative aus dem Bezirk Alsergrund – hielten nur einmal im Jahr ihre Konferenzen ab. Manche Anträge seien deshalb etwas aus der Zeit gefallen, jener zu Afghanistan stamme aus der Zeit des Taliban-Sieges. Doch grundsätzlich stehe die Wiener Partei zu dieser Haltung.

So oder so ist am Parteitag aber kein Beschluss des Afghanistan-Standpunkts zu erwarten. Die interne Antragskommission, die eine Vorauswahl trifft, empfiehlt die Zuweisung an den Bundesvorstand. In aller Regel bedeutet das: Schubladisierung. (Gerald John, 9.11.2023)