Schon vor mehr als einem Jahrzehnt wurde gegen den damaligen Kanzler Werner Faymann und seinen Staatssekretär Josef Ostermayer (beide SPÖ) ein Ermittlungsverfahren geführt und eingestellt.
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Bald zwei Jahre ist es nun her, dass am 25. Februar 2022 brisante Inhalte aus dem Einvernahmeprotokoll jener Frau publik wurden, die heute Kronzeugin in der Umfragen- und Inseratenaffäre der ÖVP ist: Sabine Beinschab. Die Meinungsforscherin hatte damals nicht nur einige der im Raum stehenden Vorwürfe in der nach ihr benannten und im Jahr 2021 publik gewordenen Causa – es geht darin um Umfragen für das ÖVP-geführte Finanzministerium, in denen auch parteipolitisch motivierte Themen abgefragt wurden, die lediglich der ÖVP genützt hatten, aber mit Steuergeld bezahlt wurden – bestätigt, sondern auch brisante Neuigkeiten offenbart. Nur dadurch hatte sie die Chance, auch Kronzeugin zu werden.

Mehrere Seiten lang schilderte Beinschab laut Einvernahmeprotokoll, dass manipulierte Umfragen und dahingehende Absprachen zwischen einer Partei, einem Medium und der Marktforschung für sie "nichts Neues" gewesen seien. Denn als Werner Faymann von der SPÖ Kanzler gewesen sei, habe es ein ähnliches "System" gegeben, wie sie behauptete. Damals laut Beinschab involviert: die SPÖ-Bundespartei, die Karmasin-Motivforschung – bis 2015 arbeitete Beinschab dort als Mitarbeiterin von Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) – und die Gratiszeitung "Heute". Beinschab erläuterte, dass "laufend Studien für die Tageszeitung 'Heute'" durchgeführt worden seien. Im Hintergrund seien "sehr deutlich Wünsche der SPÖ kommuniziert" worden, "in welche Richtung die Ergebnisse zugunsten der SPÖ – beispielsweise ein paar Prozentpunkte beim Ergebnis der Sonntagsumfrage – verändert werden sollen". So ist es laut Beinschab dann auch gemacht worden.

Beinschab gab allerdings an, dass sie nicht sagen könne, wer für die Umfragen damals bezahlt habe – die SPÖ selbst oder etwa ein Ministerium. Rechtlich betrachtet macht das einen erheblichen Unterschied, ist doch nur Zweiteres von strafrechtlicher Relevanz. Von der SPÖ hieß es daraufhin jedenfalls, dass Umfragen im Unterschied zur ÖVP immer auch von der Partei bezahlt worden seien. Auch "Heute" ließ wissen, dass Umfragen immer selbst beauftragt und bezahlt worden seien.

"Allgemein keine Unregelmäßigkeiten"

Ein anonymer Anzeiger hatte den Sachverhalt schließlich dennoch Ende Juni 2022 bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Anzeige gebracht. Daraufhin prüfte die Behörde gegen eine ganze Reihe früherer Verantwortlicher der SPÖ aus der Ära Faymann einen Anfangsverdacht wegen Untreue, darunter der damalige Staatssekretär im Kanzleramt Josef Ostermayer und die einstigen Bundesgeschäftsführer Laura Rudas und Norbert Darabos. Die Staatsanwaltschaft (StA) Wien wiederum prüfte die Wiederaufnahme von anno dazumal eingestellten Ermittlungen in einer anderen Inseratenaffäre gegen Faymann und Ex-Infrastrukturministerin Doris Bures.

Mehr als eineinhalb Jahre später stellt sich die Frage: Was ist daraus geworden? Laut dem STANDARD vorliegenden Unterlagen planen sowohl WKStA als auch StA seit Juli 2022 die Einstellung der Ermittlungen gegen sämtliche Rote. Zuvor wurden laut einem Amtsvermerk Datenbestände sichergestellt und daraufhin gesichtet, "ob es Hinweise auf strafrechtlich relevante Absprachen" gab. Zwar habe ein Auftragsverhältnis zwischen SPÖ und Karmasin Motivforschung existiert, jedoch hätten sich aus den der WKStA vorliegenden Daten "allgemein keine Unregelmäßigkeiten" ergeben.

Die Prüfung sei bereits im Sommer 2022 abgeschlossen worden, ein entsprechender Vorhabensbericht am 7. Juli 2022 an die Oberstaatsanwaltschaft Wien ergangen, bestätigt eine Sprecherin der Behörde auf STANDARD-Anfrage. Mittlerweile liegt der Bericht zur Genehmigung im grün-geführten Justizministerium. Dieses wiederum erklärt die ungewöhnlich lange Dauer auf Anfrage damit, "dass eine für die Prüfung entscheidende Rechtsfrage durch die Rechtsprechung erst im Herbst 2023 abschließend geklärt wurde". Außerdem sei erst Ende September 2023 der letzte für das Ministerium in der Causa relevante staatsanwaltschaftliche Bericht eingetroffen. Inzwischen sei "die Bearbeitung durch die Fachabteilung abgeschlossen" worden.

Thema im U-Ausschuss

In wenigen Wochen dürfte das Thema auch im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" aufschlagen. Die Volkspartei will in dem von ihr initiierten U-Ausschuss bekanntlich einen möglichen "Machtmissbrauch" in einst von SPÖ und FPÖ geführten Ministerien untersuchen und der Frage nachgehen, ob von Rot oder Blau "öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes zweckwidrig verwendet wurden". Etwa im Zusammenhang mit Inseraten- und Medienkooperationen, Umfragen, Gutachten und Studien sowie Werbeaufträgen. Bereits im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss hatte Fraktionsführer Andreas Hanger mehrfach auf Beinschabs Aussagen über etwaige parteipolitisch motivierte Umfragen schon unter SPÖ-Kanzlerschaften Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang ein Anfangsverdacht gegen mehrere Rote geprüft werde.

Auf dem Ladungsverlangen der Volkspartei finden sich seitens der SPÖ mehrere prominente Namen. Darunter die Ex-Kanzler Faymann und Christian Kern, die nunmehrige Zweite Nationalratspräsidentin Bures, die ehemaligen Minister Ostermayer, Darabos und Jörg Leichtfried sowie Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Auch Meinungsforscherin Beinschab soll befragt werden. In einem Monat, am 13. März, geht es los. (Sandra Schieder, 12.2.2024)