SPÖ-Chef Babler
Andreas Babler in Innsbruck: Der Tiroler Obergenosse bekam sein Fett ab.
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Mit ihm könne man sogar diskutieren, ob die Asylobergrenze null sein sollte: Diesen Satz wurde der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer im Interview mit dem STANDARD los. Er handelte sich damit nicht nur Kritik von den roten Jugendorganisationen, sondern nun auch vom obersten Vorsitzenden ein. Als "politisch schwachsinnig" und "überhaupt nicht denkbar" bezeichnete Andreas Babler die Idee seines Parteikollegen bei einem Auftritt am Samstag.

Für den Moment seiner Retourkutsche wählte Babler justament den Kampagnenauftakt der Innsbrucker SPÖ für die Gemeinderatswahl am 14. April. Jeder könne einmal "einen schwachen Moment" haben, sagte der Bundesparteichef, doch damit sei die Sache dann auch erledigt. Schließlich habe Dornauer die Aussage ja bereits zurückgenommen.

Ganz so eindeutig war das aber nicht. Bei einem Pressegespräch am Freitag sprach Dornauer lediglich von einer "zugespitzten Formulierung". Er habe damit ausdrücken wollen, "dass man mit mir buchstäblich über alles diskutieren kann".

Er sei für seinen "durchaus pragmatischen, restriktiven" Kurs in der Migrationsfrage bekannt und diskutiere "grundsätzlich ohne Scheuklappen, Denkverbote und erhobenen Zeigefinger". Seine politische Meinung sei eine "Null-Grenze" deswegen nicht, betonte Dornauer. Denn: "Ich bin nämlich Realist".

Kärntner Avancen an FPÖ

Noch ein Abweichler verlangte nach einer Reaktion. Der Kärntner Nationalratsabgeordnete Klaus Köchl hatte via "Kleine Zeitung" eine Koalition mit der FPÖ und Herbert Kickl empfohlen. "Absolut undenkbar" sei dies, antwortete Babler und sprach von einer "Einzelmeinung".

An den internen Querelen kam auch Klubchef Philip Kucher im Interview mit dem Ö1-"Mittagsjournal" nicht vorbei. Mit in schwierigen Monaten erlittenen "Verletzungen" erklärt er den Umstand, dass sich manche Genossen immer wieder öffentlich beklagen: Die einen täten sich mit der Vergangenheitsbewältigung leichter, die anderen schwerer. Er wünsche sich, dass die Kollegen mehr miteinander statt übereinander redeten – und auf altmodische Art einfach zum Telefonhörer greifen.

Denn einen gemeinsamen Nenner gebe es in der SPÖ allemal: Wirklich jeder und jede wolle eine türkis-blaue Bundesregierung verhindern, beschwört Kucher, und das gelinge nur mit einem sozialdemokratischen Wahlerfolg: Wenn sich die Möglichkeit biete, "werden sich ÖVP und FPÖ auf ein Packl hauen."

Schluss mit Mieterhöhungen

Um die Wählerschaft zu überzeugen, setzen die Sozialdemokraten auf ein Thema, das in der vergangenen Woche auch die Bundesregierung aufgegriffen hat. Eine Milliarde Euro Investition in die Errichtung und Sanierung von Wohnhäusern, Streichung der Nebengebühren für Häuslbauer plus günstige Wohnbaudarlehen durch die Länder und ein Handwerkerbonus: Diese von der Koalition geplanten Maßnahmen sollen gleichzeitig Bauunternehmen und wohnraumsuchende Menschen unterstützen. Doch der SPÖ geht das nicht weit genug. "Das ist ein reines Paket für die Bauwirtschaft", kritisiert Kucher.

Zwei Forderungen erhebt die aktuell größte Oppositionspartei. Zum einen sollen sämtliche Erhöhungen von Mieten, auch privater Eigentümer, bis Ende 2026 ausgesetzt und danach mit zwei Prozent pro Jahr gedeckelt werden; es sei ein großes Versäumnis, dass der Wohnungsmarkt nicht mittels eines "Universalmietrechts" reguliert worden sei. Zum anderen seien die Zinsen für Wohnbaukredite, auch die bestehenden, mit drei Prozent zu deckeln. Bezahlen sollten dies die Banken aus ihren "Übergewinnen".

Regierung braucht Opposition

Beide Ideen sind nicht ganz neu. Bereits unter Pamela Rendi-Wagner, Andreas Bablers Vorgängerin an der SPÖ-Spitze, forderte die SPÖ einen Mietenstopp, wenn auch damals "nur" bis Ende 2025. Den Zinsdeckel hat Niederösterreichs Parteichef Sven Hergovich propagiert, gelten sollte dieser für Wohnbaukredite bis 300.000 Euro. Doch vielleicht bietet sich den Sozialdemokraten nun ein Hebel, um Druck zu machen.

Diese Chance bietet die geplante Leerstandsabgabe. Die Regierung will den Ländern ermöglichen, einen höhere Abgabe auf nicht genutzte Wohnraum einzuheben als bisher. Das soll ein Anreiz sein, Immobilien zu vermieten statt diese leer herumstehen zu lassen. Doch dafür muss die Koalition die Verfassung ändern, wozu sie eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat braucht – also die Stimmen von SPÖ oder FPÖ.

Die Sozialdemokraten könnten als Gegenleistung nun ein Entgegenkommen verlangen. Allerdings ist die Sache argumentativ heikel: Die SPÖ müssten im Fall des Falles begründen, warum sie eine Leerstandsabgabe blockiert, obwohl sie eine solche selbst lange fordert. (APA, Gerald John, 2.3.2024)