Die Inseratenaffäre rund um den Verdacht auf gekaufte Berichterstattung in der Boulevardzeitung Österreich weitet sich nun vom türkisen auch auf den blauen Teil der Politik aus. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie gegen die einstigen blauen Minister Mario Kunasek, Herbert Kickl, Norbert Hofer und Beate Hartinger-Klein eingeleitet. Das geht aus Justizdokumenten hervor, die dem STANDARD vorliegen.

Alle Korruptionsverfahren gegen Strache endeten bislang mit Freispruch oder Einstellung.
IMAGO/Martin Juen

Dabei geht es um angebliche Drohungen Straches, während der blauen Regierungsperiode Inserate in Wolfgang Fellners Mediengruppe Österreich zu stoppen. Stein des Anstoßes sollen Auftritte von Ewald Stadler bei oe24.tv gewesen sein, dem Strache einen "pathologischen Hass" gegen die FPÖ attestiert habe.

Mit "Inseratenstopp" gedroht

Strache habe sowohl gegenüber Fellner als auch in einer Chatgruppe mit blauen Ministern einen "Inseratenstopp" angekündigt, als Stadler im April 2019 erneut bei Fellner aufgetreten sei, heißt es in einem Bericht der WKStA. Nach einem "Entgegenkommen" Fellners sei dieser dann zurückgezogen worden.

Seinen blauen Parteikollegen schrieb Strache zuvor laut Chats, man solle Fellner "nicht mit Inseraten füttern, damit er permanent (...) FPÖ-Hasser einlädt". Wenig später schrieb der Vizekanzler: "Bitte weiter bei Fellner schalten. Wir haben es geklärt! Er kommt uns entgegen."

Für die WKStA waren diese Chats "zu vage", um Ermittlungen rund um eine "Inseratenvereinbarung" einzuleiten. Die Mittel, die für Inserate in Oe24 und anderen Fellner-Medien aufgewendet worden seien, seien auch nicht "systematisch erhöht" worden, heißt es in einem Bericht der Ermittler. Es bestehe somit kein Anfangsverdacht, hielt die WKStA am 15. April 2024 fest.

"Sofort" ermitteln

Vonseiten der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien hieß es am 18. April allerdings, von einer Einstellung sei "Abstand zu nehmen" und es sei "sofort ein Ermittlungsverfahren einzuleiten", da Verjährung drohe. Es gebe hier eine "außerordentliche Dringlichkeit". Am Tag nach dieser Weisung übermittelte die WKStA dann ein Ermittlungsersuchen an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK), außerdem wurden die Verdächtigen über die Einleitung eines Verfahrens informiert.

Die Aufhebung der parlamentarischen Immunität ist hier nicht notwendig, da Minister von dieser nicht geschützt sind. Den ehemaligen Regierungsmitgliedern Hartinger-Klein (Gesundheit), Herbert Kickl (Inneres), Mario Kunasek (Verteidigung) und Norbert Hofer (Verkehr) wird vorgeworfen, auf Parteichef Straches Geheiß Inseratenschaltungen in ihren jeweiligen Ressorts in Auftrag gegeben zu haben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Straches Anwältin Gunilla Prohart sagte auf Anfrage, Strache sei von den Ermittlungsbehörden bis dato noch nicht einmal davon verständigt worden, dass er als Beschuldigter in diesem Ermittlungsverfahren geführt wird. "Dies mussten wir bedauerlicherweise den Medien entnehmen. Dies und der in den Medien kolportierte Umstand, dass hier offenbar nur auf Druck der OStA ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, obwohl nach rechtlicher Einschätzung der WKStA nicht einmal ein Anfangsverdacht besteht, ist leider bezeichnend für die Verfahrensführung gegen meinen Mandanten geworden", so Prohart.

Aus der FPÖ hieß es, Werbeaufträge an Medien seien "ausschließlich aus sachlichen Gründen vergeben" worden. Man sehe dem Verfahren "gelassen entgegen und ist hundertprozentig davon überzeugt, dass es zu einer Einstellung kommen wird". Einziges Ziel der Aktion sei es, der FPÖ zu schaden, sagt ein Sprecher mit Verweis darauf, dass die WKStA zunächst keinen Anfangsverdacht gesehen hatte.

"In diesem Fall erledigt die von der ÖVP unterwanderte Oberstaatsanwaltschaft Wien dieses schmutzige Geschäft", so die FPÖ weiter. Ein Blick auf die Inseratenschaltungen blauer Ministerien zeige, dass es bei den Volumina der Inseratenschaltungen zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

Fellner "für Straches Befindlichkeiten nicht zuständig"

"Für die Befindlichkeit von Herrn Strache, die er zu später Stunde in SMS gegossen hat, bin ich definitiv nicht zuständig", sagt Österreich-Chefredakteur und Mitherausgeber Wolfgang Fellner dem STANDARD. Der Vorwurf der Inseratenkorruption sei "völlig absurd" und könne ihn "auf keinen Fall treffen". Er sei nicht für Inseratenverkäufe zuständig und habe sinngemäß stets kritisch über die FPÖ berichtet. "Es hat in der fraglichen Zeit zwischen Strache, der FPÖ und mir bzw. der Mediengruppe Österreich mehr als ein Dutzend Gerichtsverfahren und Klagen gegeben. Es gibt kein Medium, das Strache und die FPÖ öfter wegen der Berichterstattung geklagt hat als Österreich bzw. Oe24", so Fellner.

Es habe niemals Absprachen gegeben, Artikel seien unabhängig und kritisch verfasst worden. Straches Beschwerden über Gäste auf oe24.tv seien teils "vage und wirr" gewesen. "Ich habe keinerlei Reaktion gezeigt, außer dass ich HC Strache einmal seine TV-Quote übermittelt habe und neben den FPÖ-Gegnern auch Herrn Mölzer zu Diskussionen eingeladen habe (der übrigens auch auf Krone TV und im ORF regelmäßig diskutiert)."

Die Causa Beinschab

Gegen Wolfgang Fellner wird bereits in der sogenannten Causa Beinschab rund um manipulierte und teils aus Steuergeld bezahlte Umfragen ermittelt, zudem soll das Team rund um Sebastian Kurz (ÖVP) mit ihm ebenfalls einen Inseratendeal abgeschlossen haben.

Fellner und Kurz bestreiten das. Während die WKStA im Fall der blauen Ministerien wie erwähnt keine Ermittlungen einleiten wollte, führte sie rund um die Causa Kurz Hausdurchsuchungen durch und nahm die beiden Meinungsforscherinnen Sabine Beinschab und Sophie Karmasin – die einst Familienministerin war – sogar vorübergehend fest. Aus Sicht der Ermittler werden ihre Verdachtsmomente in diesem Ermittlungsstrang durch zahlreiche Chats zwischen den Beschuldigten erhärtet; Sebastian Kurz musste wegen der Causa als Kanzler zurücktreten. (Fabian Schmid, Renate Graber, 29.4.2024)