Blutproben
Blutproben, aufgenommen in der Blutspendezentrale des Österreichischen Roten Kreuzes. Die Flüssigkeit, die als Spende Leben retten kann, birgt auch das Potenzial, Aufschlüsse über den Erfolg oder Misserfolg von Krebstherapien bei Kindern mit Nerventumoren zu geben.
APA/HELMUT FOHRINGER

Das Projekt steht erst in den Startlöchern, doch für Sabine Taschner-Mandl ist es schon heute ein Erfolg. Seit Jahren forscht die Tumorbiologin und Forschungsgruppenleiterin an der St.-Anna-Kinderkrebsforschung (CCRI) zu kindlichen Nerventumoren. Vor zehn Jahren begann sie die ersten Experimente mit Flüssigbiopsien, die schneller und einfacher den Erfolg oder Misserfolg von Krebsbehandlungen zeigen sollten. Monalisa, ein mit acht Millionen Euro gefördertes Forschungsprojekt von Horizon Europe, ist nun ein Schritt vorwärts, um die Flüssigbiopsien in Kliniken zu bringen.

"Das ist eine enorme Belohnung für die Arbeit, die wir in Österreich geleistet haben", erzählt die Projektleiterin. Langsam habe man sich an die klinische Studie herangetastet, "von der jetzt Patienten und ihre Familien profitieren können". 25 internationale Forschungsinstitute und Projektpartner sind an Monalisa beteiligt. Die wissenschaftliche Leitung haben die St.-Anna-Kinderkrebsforschung und das Princess Máxima Center in den Niederlanden inne.

Kräftezehrende Kontrollen

Geht es darum, den Fortschritt einer Krebsbehandlung zu überwachen und drohende Rückfälle frühzeitig zu erkennen, bildet die Flüssigbiopsie eine mehrfach aussagekräftige Testmethode. Alles, was dafür nötig ist, sind wenige Milliliter Blut. Die Analyse der Blutproben zeigt, wie sich bestehende Tumore entwickeln und ob Krebszellen gegen die angewandte Behandlung resistent werden. Beides ist zwar prinzipiell auch mit bildgebenden Methoden möglich, diese sind jedoch nicht nur teuer, sondern gerade für Kleinkinder äußerst anstrengend.

Für Erwachsene ist es ein vergleichsweise geringes Problem, reglos 20 Minuten lang in einer MRT-Röhre zu liegen. Die jüngsten Krebspatientinnen und Krebspatienten erhalten für diese Untersuchung in den meisten Fällen eine Narkose. Besonders oft sind solche belastenden Tests bei Neuroblastomen nötig, einem bösartigen Tumor des peripheren Nervensystems, der am häufigsten Kleinkinder und Kinder im Vorschulalter betrifft (siehe WISSEN).

Der Krebs kommt zurück

Etwa 1.500 neue Fälle gibt es pro Jahr in der EU. Hinter der niedrig wirkenden Zahl verbergen sich viele Härtefälle – gut die Hälfte der Betroffenen gilt als Hochrisikofall. Bei ihnen kommt es oft zu Rezidiven, also Rückfällen, bei denen ein erfolgreich behandeltes Krebsleiden erneut auftritt. Mit herkömmlichen Therapien stoßen Ärztinnen und Ärzte dann vielfach an ihre Grenzen, da die Tumorzellen nicht mehr darauf ansprechen. Die Überlebensrate der Betroffenen liegt in solchen Fällen bei lediglich zehn Prozent. Auf derartigen Rückfällen liegt daher ein besonderes Augenmerk des Forschungsprojekts.

"Die primäre Frage ist, ob wir drohende Rezidive mit der Flüssigbiopsie schon früher erkennen, als das mit derzeitigen Standardmethoden möglich ist", erklärt Taschner-Mandl. Anhand einer Gruppe werden bei Monalisa die Standardverfahren getestet, bei einer weiteren Gruppe wird zusätzlich zu diesen Methoden jeden Monat eine Flüssigbiopsie durchgeführt. Ein Baustein des Monitorings bei Krebsfällen ist neben bildgebenden Methoden die Knochenmarkpunktion. Sie ist zwar ein kleiner, aber invasiver Eingriff, der unter örtlicher Betäubung durchgeführt wird.

Neuroblastom-Zellen unter dem Mikroskop
Neuroblastom-Zellen unter dem Mikroskop. Dieser bösartige Tumor betrifft vor allem Kleinkinder und Kinder im Vorschulalter.
St. Anna Kinderkrebsforschung

Winzig und verräterisch

Um Veränderungen schneller zu bemerken, sind Forschende wie Marie Bernkopf im Rahmen von Monalisa winzigen Bestandteilen von Krebszellen auf der Spur. Die Molekularbiologin am CCRI wird in den kommenden Jahren Blutproben von Patientinnen und Patienten aus dem In- und Ausland mittels Flüssigbiopsien analysieren. "Wir kommen von mehreren Seiten, um die Reste der Tumorzellen im Blut nachzuweisen", sagt Bernkopf. Sie und ihre Mitstreitenden erfassen zum einen zellfreie DNA, die Krebszellen aus ihren Zellkernen abbauen und absondern. Spürt man diese kurzen DNA-Sequenzen auf, lassen sich an ihnen neu entstandene Mutationen eines Tumors erkennen.

Zum anderen ist neben diesen DNA-Stücken die von Tumorzellen produzierte mRNA für die Wissenschaft interessant. Bilden Tumorzellen Proteine, brauchen sie für die zwischengeschaltete Kommunikation mRNA – und die lässt sich in Flüssigbiopsien nachweisen. Die Boten-Ribonukleinsäuren geben einen Hinweis auf das Vorhandensein von Tumorzellen. Anhand dieser Daten, die an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte geschickt werden, können diese gegebenenfalls andere therapeutische Wege einschlagen.

Mehr Sicherheit oder mehr Angst?

Flüssigbiopsien auszuwerten dauert in der Regel zwei bis drei Wochen, wohingegen bildgebende Methoden etwas rascher abgehandelt sind. "Wir sind im Labor vielleicht langsamer, können aber öfter testen, weil wir nur eine kleine Menge Blut brauchen", relativiert Bernkopf. Die Forscherin setzt daher große Hoffnungen in Monalisa, ihre Motivation ist der positive Zukunftsausblick für die jungen Patientinnen und Patienten. Flüssigbiopsien könnten die Behandlung weniger invasiv und weniger anstrengend gestalten sowie schneller zielgerichtete Therapien erlauben. "Damit können sie die Lebensqualität und auch die Überlebenschancen der Kinder verbessern", hofft die Forscherin.

Marie Bernkopf und Sabine Taschner-Mandl
Marie Bernkopf (links) und Sabine Taschner-Mandl (rechts) wollen in den kommenden Jahren viele Fragen beantworten und neues Wissen generieren.
St. Anna Kinderkrebsforschung

Auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien legt das Forschungsprojekt ebenfalls einen Fokus. Bernkopf findet diesen Punkt besonders wichtig. "Es ist fantastisch, wenn eine Flüssigbiopsie schnelle Ergebnisse bringt, aber die Betroffenen sollen sich damit auch wohlfühlen", erläutert sie. Zuerst mittels Fragebögen und in Zukunft mithilfe einer App sollen Betroffene und ihre Angehörigen ihre persönliche Situation bewerten. Die Frage ist, ob engmaschige Kontrollen, sprich monatliche Flüssigbiopsien, mehr Sicherheit geben oder Kinder und ihre Eltern stärker belasten und Ängste schüren.

Stunde der Wahrheit

In einer ersten Projektphase wird nun das Studienprotokoll verfasst und, so hofft Taschner-Mandl, Ende des Jahres die ersten Patientinnen und Patienten in Monalisa eingeschlossen. Über dreieinhalb Jahre wird dann getestet, analysiert und Medizinerinnen wie Mediziner geschult, die Labordaten zu interpretieren. Am Ende der fünfjährigen Laufzeit fließen alle Ergebnisse in einer Datenbank zusammen, und das Monalisa-Team beginnt mit der Auswertung. So soll sich zeigen, ob mit Flüssigbiopsien tatsächlich eine frühzeitige Erkennung von Rezidiven gelingt und wie sich dieses Wissen auf das Überleben Betroffener auswirkt.

Die Forschenden wollen darüber hinaus eruieren, ob Ärztinnen und Ärzte die Flüssigbiopsie-Ergebnisse als Basis nehmen, um Behandlungen individuell anzupassen. Taschner-Mandl hat große Erwartungen an die von ihr so lange erforschte Diagnosemethode. Was das schönste Ergebnis am Ende des Projekts wäre? "Frühzeitig Entscheidungen treffen zu können, die die Überlebenschancen der jungen Patientinnen und Patienten verbessern", sagt sie. (Marlene Erhart, 29.4.2024)